Patienteninformation (Anm.: für gesetzlich Krankenversicherte)
(Quelle: Muster PTV 10(4.2017) der Kassenärztlichen Vereinigung; Freigabe 24.01.2017)
Ambulante Psychotherapie in der gesetzlichen Krankenversicherung
Versicherte der Gesetzlichen Krankenversicherung haben Anspruch auf psychotherapeutische Behandlung
Was ist Psychotherapie?
Psychotherapie ist eine Behandlung von psychischen (,,seelischen“) Erkrankungen mithilfe von wissenschaftlich anerkannten Verfahren, Methoden und Techniken. Psychische Erkrankungen können das
Erleben, das Verhalten sowie das geistige und körperliche Wohlbefinden stark beeinträchtigen und mit Leid, Angst, Verunsicherung und Einschrän-kungen der Lebensqualität einhergehen. Eine
Psychotherapie ist dann ratsam, wenn psychische Probleme nicht mehr allein oder mit Hilfe der Familie oder von Freunden gelöst werden können, zu Krankheitserscheinungen führen und die
alltäglichen Anforderungen des Lebens nicht mehr bewältigt werden können. Vor Beginn einer Psychotherapie ist eine Abklärung durch eine Ärztin oder einen Arzt zur Frage notwendig, ob körperliche
Ursachen für die psychische Erkrankung verantwortlich oder mitverantwortlich sein können. Alle psychotherapeutischen Behandlungen haben gemeinsam, dass sie über das persönliche Gespräch erfolgen,
das durch spezielle Methoden und Techniken ergänzt werden kann (z.B. freie Mitteilung von Gedanken und Einfällen, konkrete Aufgaben um z.B. Ängste zu bewältigen oder spielerisches Handeln in der
Therapie von Kindern).
Wie funktioniert Psychotherapie?
Die psychotherapeutische Behandlung hilft seelisches Leis und seelische Krankheit durch das Gespräch mit einer Therapeutin oder einem Therapeuten mit spezieller Ausbildung zur Behandlung
psychischer Erkrankungen zu lindern oder zu bessern. Die Behandlung kann mit der Therapeutin oder dem Therapeuten allein oder im Rahmen einer Gruppentherapie erfolgen. Einzelbehandlungen haben in
der Regel eine Dauer von 50 Minuten, Gruppentherapien eine Dauer von 100 Minuten. Bei der Behandlung von Kindern und Jugendlichen kann es hilfreich und notwendig sein, Bezugspersonen aus dem
familiären und sozialen Umfeld mit einzubeziehen. Dies kann im Rahmen von zusätzlichen therapeutischen Gesprächen allein mit den Bezugspersonen erfolgen. Eine wesentliche Bedingung für das
Gelingen jeder Psychotherapie ist eine vertrauensvolle Beziehung zwischen Patientin oder Patient und Therapeutin oder Therapeut sowie eine Klärung, ob das geplante Psychotherapieverfahren den
Erwartungen der Patientin oder des Patienten entgegenkommt. Auf dieser Grundlage bietet Psychotherapie die Möglichkeit, in einem geschützten Rahmen das eigene Erleben und Verhalten sowie
Beziehungserfahrungen zu besprechen, zu erleben und zu überdenken und infolge dessen Veränderungen auszuprobieren und herbeizuführen.
Wer übernimmt die Kosten für eine Psychotherapie?
Die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen die Kosten für eine Psychotherapie, wenn diese zur Behandlung einer psychischen Erkrankung notwendig ist. Ambulante Psychotherapie ist eine
zuzahlungsfreie Leistung. Eine Überweisung ist nicht erforderlich, die Vorlage der elektronischen Gesundheitskarte ist ausreichend. Einen Wechsel der Krankenversicherung muss die Patientin oder
der Patient der Therapeutin oder dem Therapeuten zeitnah mitteilen. Im Erstgespräch (Psychotherapeutische Sprechstunde) klärt die Patientin oder der Patient mit der Therapeutin oder dem
Therapeuten, ob eine Psychotherapie oder eine andere Maßnahme für die individuelle Problemlage geeignet ist. Eine reine Erziehungs-, Ehe-, Lebens- oder Sexualberatung ist keine Psychotherapie und
wird von den gesetzlichen Krankenkassen nicht übernommen. Diese Maßnahmen werden von entsprechenden Beratungsstellen, in der Regel kostenfrei, angeboten.
Wie beantrage ich eine Psychotherapie?
Vor Beginn einer Psychotherapie finden Probegespräche, sogenannte probatorische Sitzungen, statt. Hierbei prüfen Patientin oder Patient und Therapeutin oder Therapeut, ob die ,,Chemie“ zwischen
ihnen stimmt und eine vertrauensvolle Beziehung aufgebaut werden kann. Die Therapeutin oder der Therapeut erklärt die Vorgehensweise. Therapieziele, Behandlungsplan und voraussichtliche
Therapiedauer werden gemeinsam besprochen und festgelegt. Entscheiden sich Patientin oder Patient und Therapeutin und Therapeut für eine Psychotherapie, stellt die Patientin oder der Patient bei
Ihrer oder seiner Krankenkasse einen Antrag auf Übernahme der Kosten. Wenn eine Langzeittherapie (mehr als 24 Therapieeinheiten) geplant ist, schreibt die Therapeutin oder der Therapeut
zusätzlich einen Bericht zur Begründung der Notwendigkeit der Langzeittherapie. Dieser wird ohne Nennung des Patientennamens in einem verschlossenen Umschlag an eine externe Gutachterin oder
einen externen Gutachter zur Prüfung übermittelt. Nach Eingang des Antrags prüft die Krankenkasse, bei Langzeittherapien auch unter Berücksichtigung der gutachterlichen Stellungnahme, ob eine
Kostenzusage erfolgen kann und teilt dies der Versicherten oder dem Versicherten mit.
Wer führt psychotherapeutische Behandlungen durch?
Psychotherapeutische Behandlungen dürfen im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung nur von Psychologischen Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten, Kinder- und
Jugendlichenpsychotherapeutinnen und – Psychotherapeuten sowie von psychotherapeutisch tätigen Ärztinnen und Ärzten durchgeführt werden, wenn diese über eine Kassenzulassung verfügen. Neben der
psychotherapeutischen Behandlung von psychischen Erkrankungen kann zusätzlich eine medikamentöse Behandlung sinnvoll sein, die jedoch nur von Ärztinnen und Ärzten durchgeführt werden darf.
Freigabe 24.01.2017
Welche psychotherapeutischen Behandlungsrichtungen gibt es?
Psychotherapeutische Akutbehandlung
Bei besonders dringendem Behandlungsbedarf kann eine Psychotherapeutische Akutbehandlung im Umfang von bis zu 12 Behandlungen zu je 50 Minuten Dauer in Frage kommen. Eine Akutbehandlung dient der
Krisenintervention und kann – falls erforderlich – in eine Kurzzeitpsychotherapie oder in eine Langzeitpsychotherapie übergeführt werden. Bereits durchgeführte Therapieeinheiten der
Akutbehandlung werden auf die nachfolgende Psychotherapie angerechnet. Für eine Akutbehandlung ist nur das Einzelgespräch vorgesehen.
Ambulante Psychotherapie
Ambulante Psychotherapie kann in allen Psychotherapieverfahren als Einzeltherapie, in einer Gruppe oder als Kombination von Einzel- und Gruppenpsychotherapie durchgeführt werden. Die Häufigkeit der Sitzungen kann je nach Verfahren und Behandlungsverlauf variieren und wird individuell von Patientin bzw. Patient und Therapeutin bzw. Therapeut vereinbart. Die Gruppenpsychotherapie nutzt zusätzlich Beziehungserfahrungen und das wechselseitige Lernen zwischen den Patientinnen und/oder Patienten in der Gruppe für die Psychotherapie. Der Gemeinsame Bundesausschuss (www.g-ba.de) entscheidet, welche psychotherapeutischen Behandlungsverfahren und -methoden als Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung anerkannt sind. Dies sind derzeit:
- Analytische Psychotherapie
Die analytische Psychotherapie nimmt an, dass Krankheitssymptome durch konflikthafte unbewusste Verarbeitung von frühen oder später im Leben erworbene Lebens- und Beziehungserfahrungen verursacht
und aufrechterhalten werden. In der therapeutischen Beziehung zwischen Patientin oder Patient und Therapeutin oder Therapeut spielt das Erkennen und Bewusstmachen von verdrängten Gefühlen,
Erinnerungen und Beziehungsmustern, die gegenwärtig Krankheitssymptome verursachen, eine zentrale Rolle. Dadurch kann in der Gegenwart zunächst unverständlich erscheinendes Fühlen und Handeln in
der therapeutischen Beziehungsarbeit verstanden und verändert werden.
- Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie
Die tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie sieht Krankheitssymptome als Folge von aktuellen Konflikten in Beziehungen oder von nicht bewältigten Beziehungserfahrungen und Konflikten aus
früheren Lebensphasen. Diese Konflikte und Erfahrungen können das spätere Leben bestimmen und psychische Erkrankungen zur Folge haben. Ziel der Behandlung ist es, die zugrundeliegenden
unbewussten Motive und Konflikte der aktuellen Symptome zu erkennen und sich mit diesen auseinander - setzen. Patientin oder Patient werden in der Psychotherapie dabei unterstützt, durch
Einsichten in die Zusammenhänge und Ursachen der aktuellen Symptome Veränderungen im Erleben oder Verhalten zu erreichen.
- Verhaltenstherapie
Die Verhaltenstherapie geht davon aus, dass psychische Beschwerden das Ergebnis von bewussten und nicht-bewussten Lernprozessen sind. Zu Beginn der Behandlung wird gemeinsam mit dem Patienten
erarbeitet, welche Bedingungen seiner Lebensgeschichte und seiner aktuellen Lebenssituation zur Entstehung und Aufrechterhaltung der psychischen Symptomatik beigetragen haben und weiter wirksam
sind. Auf dieser Grundlage werden gemeinsam die Therapieziele und der Behandlungsplan festgelegt. In der Verhaltenstherapie wird der Patient zur aktiven Veränderung seines Handelns, Denkens und
Fühlens motiviert und angeleitet. Dabei werden die bereits vorhandenen Stärken und Fähigkeiten herausgearbeitet und für den Veränderungsprozess nutzbar gemacht.
- Systemische Therapie
die systemische Therapie ist ein Psychotherapieverfahren, das den sozialen Beziehungen innerhalb einer Familie bzw. Gruppe eine besondere Relevanz für die Entstehung psychischer Erkrankungen beimisst und fokussiert daher nicht auf die einzelne Person sondern auf die Interaktionen zwischen den einzelnen Mitgliedern der Familie und der sozialen Umwelt .